One Way zum Gardasee - Alpencross für Weicheier - Teil 2

 

Wo waren wir stehen geblieben?

 

Rückblick: 

 

Wir wollten mit dem Radl über die Alpen.

Wir hatten nach eineinhalb Tagen endlich den Achensee erreicht, dass Wetter besserte sich - sogar die Sonne war zu sehen- und aufgrund eines scharfen Steines auf dem Radweg holte sich Christian auf dieser Tour einen Riss in seinen Reifen und einen Platten. 

 

An einer sonnigen Bank wurde geflucht, geschimpft und repariert.

Christians Rad benötige dringend einen neuen Reifen, denn durch den Riss würde sich der Schlauch irgendwann hindurch zwängen und das wäre blöd - außerdem war Karfreitag, höchster Feiertag im katholischen Bayern…

 

Nix hat auf, nicht mal der Bäcker!

 

Also auch keine Läden haben offen!

Unglaublich schlechtes Timing für einen neuen Reifen!

 

Was also tun? 

 

Ich googelte nach einem Schlauchautomaten und fand in Innsbruck einen mit Telefonnummer.

"Dort ruf ich einfach mal an."

Und es ging jemand ans Telefon.

"Wir kommen aus Bayern und wollen durch Österreich mit dem Radl... Panne... Reifen kaputt ... bekommen wir bei euch was?..."

„Klar haben wir offen!“ schalte es lachend durch das Telefon.

„Aber heute ist doch Karfreitag und Feiertag? Ihr dürft doch nicht offen haben!“ 

 

Lachen auf der anderen Seite!

 

„In Österreich ist Karfreitag kein Feiertag, wie in Bayern." antwortete mir mein gegenüber lachend.

 

Geil!

  

Wir waren gerettet! Wir würden weiter kommen!

 

 

 

Wir würden heute noch an einen neuen Reifen kommen!

 

Wir mussten nur noch den Berg runter und in den nächsten Radladen und wären gerettet.

 

Bis dahin sollte uns eine provisorische Lösung reichen. Ich habe mal gehört, dass Geldscheine ziemlich unkaputtbar sind. Also legten wir einen 5 Euro Schein um den Schlauch und pumpten ihn auf.

 

Es funktionierte, der Schlauch blieb im Reifen und wir konnten endlich weiter fahren.

 

 

Wir folgten also dem wirklich schönen Radweg dem See entlang. Wobei es immer noch ziemlich kalt war. Ich glaube, bei besserem Wetter macht das Radeln - trotz traumhafter Landschaft - hier auch nicht so viel Spaß, weil es bestimmt voll wird. Wir genossen aber die Runde am See entlang.

 

Und dann kam die Abfahrt über die Kasbachstraße.

Eine unglaublich rasante Abfahrt - es sind 400hm in 6km.

Wir hatten Glück, keine riskanten Überholmanöver von Autos bei 50 bis 70 km/h Abfahrtsgeschwindigkeit. 

 

Und wir waren unten, in Jenbach. Nach der Abfahrt spitzelte der Schlauch schon etwas aus dem kaputten Reifen meines Begleiters und wir beschlossen bis Schwaz zum Probike Schwaz zu fahren und dort einen Boxenstopp einzulegen.

 

 

Zwischenzeitlich hatte ich schon etwas gebangt, ob wir hier überhaupt einen passenden Reifen finden würden. Mittlerweile ist das Angebot in einigen Fahrradgeschäften nicht mehr ganz so gut.

 

Aber hier wurden Träume wahr...  es gibt es alles, was das Rennradherz und auch die anderen Radlerherzen höher springen lassen.

 

Wir wurden sofort herzlich begrüßt und sofort umfassend und super bedient. Der Reifen wurde schnell und effizient ausgetauscht, ich erhielt neue Batterien für meine Rally-Pedale und wir fühlten uns hier unglaublich wohl.

 

Wir waren die ersten Radreisenden der Saison, die vorbei kamen und erhielten gleich noch je einen leckeren Energieriegel für die Weiterfahrt geschenkt.

 

Ich kann diesen Fahrradladen nur empfehlen, nicht nur für Rennradler, sondern für alle Radler:

Geht zum Probike in Schwaz kauft dort Reifen, Ausrüstung, Fahrräder!

Sehr geiler Laden!

 

Wir kamen raus und entdeckten in der Innenstadt von Schwaz gleich mal eine Eisdiele. Also Cappuccino, italienischen Toast und als Nachspeise leckere Sahnetorte.

 

 

Wir hatten viel Zeit verloren, der Reifenplatzer, unsere unglaubliche Unfähigkeit diesen Schlauch schnell und effizient zu wechseln und dann noch der Pannenstop in Schwaz mit anschließendem Cappuccino- Stopp. 

 

Jetzt hieß es aber schnell wieder aufsatteln und noch ein paar Kilometer sammeln.

Auf dem Weg nach Innsbruck verdunkelte sich mal wieder der Himmel.

Dunkle Regenwolken um uns herum, irgendwann einen Hauch von Regentropfen, aber es blieb dann doch trocken.

Wir würden um ca. 17:00 Uhr in Innsbruck ankommen.

 

Was sollten wir dann tun?

 

 

Sollten wir uns um 17:00 Uhr ein Hotel suchen und für heute aufhören?

Irgendwie schon sehr früh. Eigentlich wollten wir weiter kommen.

 

Sollten wir also weiter und den Brenner noch hoch? 

Beim Blick auf die Wetterapp, sahen wir Regen voraus und oben am Brenner leichter Schneefall.

Heute Abend würden wir den Brennerpass nicht mehr ganz schaffen, bevor es dunkel wird, es sollte unter Null und regnerisch werden, evtl. sogar schneien...

 

 

Fragen über Fragen...

 

Also morgen in der Früh den Brenner hoch?

 

Mist soll auch kalt sein und Schnee geben...

Überhaupt viel Verkehr...

Brenner Autobahn mit Blockabfertigung... das bedeutet alte Brennerstrasse ist voll…

 

In Schwaz erzählte uns ein Herr was von der guten Zugverbindung auf den Brenner.

 Sollten wir also - wie Weichei-Helden- den Brenner einfach mit dem Zug hochfahren und so die verlorene Zeit der letzten 2 Tage nachholen?

Frage an die Rennleitung: Ist das überhaupt zulässig?

  

 

Ok, Scheiß drauf!

"Wir fahren mit dem Zug hoch (45 Minuten und 12,- €) und dann noch bis Sterzing."

Auch Helden sehnen sich manchmal nach komfortablen Showdowns.

 

 

Gesagt, getan...

 

Und im Rückblick war das die beste Idee.

 

Wir waren um 18:30 oben am Brenner. Um 19:30 sollte die Sonne untergehen und wir buchten im Zug unser Übernachtungszimmer in Sterzing.

Als wir ausstiegen, fielen einzelne Schneeflöckchen, wir setzten uns auf die Räder und fuhren in den Sonnenuntergang (oder so ähnlich, es war bewölkt...)

 

 

Wir fuhren bis Sterzing an der alten Zuglinie entlang.

Achtung Rennrad- und Komootnutzer:

Folgt auf jeden Fall dem Radweg der alten Bahnstrecke!

Auch wenn Komoot euch auf die alte Brennerstraße leiten will!

Diese alte Bahnstrecke ist einfach genial. Der asphaltierter Radweg, ist zwar 3-4 Kilometer länger (aber es geht ja nur Bergab), jedoch unglaublich schön.

 

Ein wunderschöner verlassener alter Bahnhof und einige Bahntunnel finden sich auf der Strecke.

 

 

Der Radweg macht eine große Schleife. Einige Kilometer entfernt man sich von der Brennerstrecke, danach geht es aber wieder direkt auf die Brennerstraße zu.

 

Nach einer Stunde und insgesamt 110 Kilometern, war an diesem Karfreitag endlich Schluss und wir erreichten pünktlich zum Sonnenuntergang endlich Sterzing und unser Hotel.

 

 

Karsamstag!

Nach einem leckeren Abendessen und einem sehr guten Frühstück starteten wir in den dritten Tag. 

 

 

Das Wetter wurde zwar ein bisserl besser, aber irgendwie nicht wirklich. Irgendwann landeten wir mitten in der Altstadt von Klausen. Dort fand der jährliche Ostermarkt statt und lockte alle Einheimischen der Umgebung und alle verfügbaren Touristen in die Altstadt. Und genau da mussten wir durch...

 

Oh mein Gott, waren das viele Menschen. Wir zwängten uns durch diesen zum platzen gefüllten Ort und verzweifelten fast schon. Dann wurde es sehr lustig, als wir zu zweit unsere Räder durch die Menschenmassen schoben und uns ein Rennradtrupp von ca. 10 Rennradlern entgegen kamen. 

Wir waren ja schon ziemlich genervt, aber diese Herrschaften auf Trainingsfahrt hatten eine unglaublich schlechte Stimmung. Sie versuchten den Menschenmassen zu entkommen, landeten - bei der Suche nach Auswegen - auch in Sackgassen. Wir sahen sie mehrmals von Osten, nach Westen und dann wieder zurück und wieder weiter... und das ganze in einer langen Schlange von 10 Rennradlern... 

 

Ich musste aufpassen, dass ich nicht laut lachte, bei der Situation.

 

Wir radelten danach weiter nach Bozen, eigentlich wollten wir dort Freunde treffen, auf einen Cappuccino, aber wir benötigen zu lange. Also trafen wir keine Freunde  und fuhren weiter.  Wir entschieden uns gegen den letzten Imbiss in Bozen und wollten was schönes und was gscheites zum Essen und fuhren letztendlich wieder raus aus Bozen, ohne Essen...

 

 

Nachträglich betrachtet, war das ein Fehler. 

Irgendwann wurde ich mal wieder still und schlecht gelaunt und hatte riesengroßen Hunger. Wir machten kurze Rast an einem Bänkchen und aßen unsere letzten Kaminwurzn. Irgendwann reichts auch mit Kaminwurzn.

 

Es wurde gegoogelt und in weniger als 1 Kilometer gab es die kulinarische und mentale Rettung: Viktors Imbiss. 

 

 

Nach einem reichhaltigen Menü (Lasagne, Cola , Cappuccino, mehrere Snickers) ging es mir wieder besser und ich war bereit für neue Heldentaten.

Wie so oft, kurz danach kam schon der nächste Bicigrill.

 

Allmählich wurde es auch wieder später. Wir machten uns Gedanken über unseren nächsten Übernachtungsstopp.

 

 

Auch wenn Booking böse ist, diente diese App sehr gut zum Finden und Buchen und Bezahlen unserer Hotels. Wir fanden letztendlich ein Hotel im Süden von Trento, direkt am Radweg.

 

30 Kilometer vor unserem Ziel verdunkelte sich erneut der Himmel. Allmählich wurde es immer wolkiger und es fing letztendlich zum Regnen an.

 

Die letzten 10 Kilometer fuhren wir durch strömenden Regen. Zum Schluss fanden wir unser Hotel und der dritte Tag war geschafft. An diesem Abend  sollten es 145 Kilometer gewesen sein.

 

 Nach einer leckeren Pizza fielen wir ins Bett.

 


Der nächste Morgen begrüßte uns mit einem wunderschönen Sonnengruß! 

Also runter ins Café, leckeres italienisches Frühstück, danach anziehen und los.

 

 

Der Tag startete mit Sonnenschein und guter Laune.

Wir waren voller Energie und Motivation. Der letzte Tag der Tour stand an, die  Temperaturen sollten über 10 Grad steigen.

Was für ein Tag?

Wer sollte uns noch stoppen?

 


Das wird warm heute. Christian startete gleich in kurz - kurz, ich erst vorsichtiger und verfrorener mit langen Hosenbeinen und dicker Jacke.

Der Etschtalradweg führte uns immer entlang der Etsch. Er führte uns am Flussdamm entlang. Ein wunderbarer durchwegs asphaltierter Radweg, der zwischendrin auch mal 10 - 15 km Strecken hat, ohne große Seitenwechsel...

Ideal um Tempo zu machen. Das machten wir auch. 

 

Wir flogen über den Radweg - immer schön hintereinander im Windschatten - ein Traum!

 

 

Nach ein bis zwei Stunden wurde es wärmer und wir fuhren mit unglaublich guter Laune in den Ostersonntag voller Sonne hinein.

Dieses Mal machten wir alles richtig, bei einem wunderschönen Bicigrill stoppten wir unsere wilde Fahrt.

 

 

Habe ich schon erwähnt, dass die italienischen Toasts sensationell sind und am besten sind die - meistens noch warmen - Croissants mit einem Cappuccino.…

 

Italien - du wunderschönes Land!

Wir waren uns sicher, dass wir bei der ersten Fahrt zum Gardasee (vor ein paar Jahren) schon mal genau hier waren - in diesem schönen Bicigrill.

 


Glücklich und gesättigt ging es  weiter, auf dem Etschtal Radweg.

Und dann kam er:

Der Gegenwind!
 
Ab Rovereto begann es zu winden…

An dieser Strecke bläst ab Mittag meistens der Gegenwind von Süden kommend und erschwert die Fahrt in den Süden.

Wir freuten uns schon richtig auf die Abzweigung und auf die letzte Steigung über die letzte Hügelkette bevor es zum Gardasee geht - Hauptsache dieser Wind hört auf.

 

Nach der Fahrt durch die Weinberge kam sie, die Abzweigung und der letzte Berg, mit bis zu 20% Steigung.

 


Aber auch diese Herausforderung wurde gemeistert und als sie überwunden war und kurz vor der letzten Abfahrt zum Gardasse fanden wir den blauen Gardaseeradweg.
 
Dann ging es runter nach Peschiera del Garda.

 


Es blieben die letzten Kilometer bis Moniga del Garda. Auf diesen letzten Kilometern war ich nicht mehr zu bremsen. Ich war total euphorisch und raste durch die italienischen Örtchen und über die  Straßen.

 

In Desenzano begrüßte unser dieser kleine hübsche Italiener. 

 


Danach war es nur noch ein Katzensprung und wir fanden uns am Strand von Moniga del Garda wieder.

Der letzte Tag und wir hatten es geschafft.

Wir sind von unserer Haustüre los und erreichten nach 4 Tagen den Südzipfel des Gardasees. 

 

 

Am Letzten Tag waren es nochmal 116 Kilometer bis zum See.

 

Wir hatten insgesamt 485 km in den Beinen.

 


Sehr schön war es, besonders, weil wir uns nicht körperlich abgeschossen hatten. 

Es war eine schöne Genussfahrt (ja kalt war es), ohne unangemessene Qualen. 

Im Rückblick ist eh alles toll!

Es war mir eine Ehre Christian.

Wunderschöne Tour.

Gerne wieder, lieber Christian.

 

Alpencross start



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Kommentare: 3
  • #1

    Christian (Samstag, 06 Mai 2023 17:27)

    Sehr schön geschrieben, dito und jederzeit wieder!

  • #2

    Werner (Montag, 08 Mai 2023 14:20)

    Was für ein schöner Text und was für ein toller Trip. Danke fürs Mitnehmen: es ist beim Lesen spürbar!
    Toll!

    Liebe Grüße,
    Werner

  • #3

    Jürgen (Samstag, 13 Mai 2023 10:27)

    Lieber Werner, vielen Dank. Es war auch ein echt cooler und toller Trip.