Ich habe euch ja schon einen Blogbeitrag zur FujiX100V geliefert.
Mittlerweile sind doch einige Tage ins Land gezogen - um genau zu sein mehr als ein halbes Jahr.
Und was ist passiert?
Hat sich das teure Schmuckstück gelohnt, oder liegt es schon in der Ecke?
Ja es liegt in der Ecke!
Und zwar in dieser, in der das Ladekabel liegt, denn der Akkuverbrauch ist bei täglicher Nutzung doch ganz anständig.
Fazit:
Also ich nutze sie täglich und bereue keinen einzigen Tag mit ihr.
Sie ist unglaublich schön, unglaublich unauffällig und ich mache mit ihr Bilder, die mir unglaublich gut gefallen.
Alles ist so einfach geworden. Ich arbeite nun nicht mehr mit RAW-Dateien. Nur noch mit JPGs. Und diese kommen direkt aus der Kamera.
Ich stelle mir meine Filmsimulation - bevor ich ein Bild mache - ein und Voila:
Ein Druck auf den Auslöser und fertig ist das Bild.
Ich übertrage nichts mehr auf den Computer und bearbeite nichts mehr nach. Ich bin einfach fertig...
Was ist so eine Filmsimulation?
Das ist etwas kompliziert…
Menschen die Fuji nicht kennen würden sagen:
„So was, wie ein Filter...“
Manch einer würde dazu sagen:
Same same but different!
Ich sage dazu:
This time: very different - my friend!
Ein bisserl anders ist es schon!
Einen Filter legt man auf ein fertiges Bild. Für die Filmsimulation entscheidet man sich vor dem Abdrücken. Ein Filter wird in der Nachbearbeitung festgelegt. Filmsimulationen bestimmen das Bild schon beim Fotografieren und sie reagieren auf die Einflüsse.
Ist doch fast das gleiche?
Ja aber nur fast und das macht den Unterschied.
Filmsimulationen werden genutzt wie analoge Filme.
Bei Fujifilm gibt es Techniker, die sich intensiv damit beschäftigen Filmsimulationen digital nachzuahmen. Das bedeutet eine Filmsimulation hat einen besonderen Charakter. Zum Beispiel reagiert ein Film auf Über- oder Unterbelichtung, indem er seine Farbanmutung anpasst. (Beispiel: der Kodak Gold wird bei Überbelichtung wärmer und bei starker Überbelichtung gelber).
Und genau diese Dinge macht eine Filmsimulation auch.
Ziel ist es - für mich - als Ergebnis ein fertiges Bild - zu erhalten. Dafür kann man sich vorher ein Rezept bauen. Ich habe mehrere, je nach
Stimmung.
Fujifilm hat mehrere Grundrezepte vorgegeben. Diese kann man sich schnappen und verfeinern. Es können neben der Farbanmutung noch weitere Eigenschaften bestimmt werden: Höhen, Tiefen, Korn, Weißabgleich, Schärfe, Farbverschiebungen und vieles mehr.
Mit diesen Einstellungen kann die Anmutung eines analogen Films nachgebaut werden und diese kann individuell angepasst werden. So kann man sich seine eigene Rezeptsammlung erstellen.
Und wie läuft das beim Fotografieren?
Na Ja, ich fange einfach schon vor dem Fotografieren an mir Gedanken zu machen, was es denn werden soll, Schwarz-Weiß, eher heller, eher dunkler, eher depressiv, eher fröhlich...
Mittlerweile bestimme ich die Situationen im Leben manchmal und ordne sie ein, was es denn sein könnte, ein gepushter Tri-X oder dorch ein creamy Color...
Ich lege mir also (virtuell) mithilfe meines Q-Menus einfach den "Film" ein, den ich haben möchte.
Und schon geht's los.
Foto, knips und fertig ist das Bild.
Derzeit habe ich folgende Rezepte immer dabei:
- Einen wunderschönen Ektar 100 mit seinen typischen Rottönen
- Für indoor Aufnahmen einen carakteristischen Color neg. indoor für Aufnahmen mit Kunstlicht
- Meinen warmen Soft Dirty Orange mit wunderbaren Farbverschiebungen ins Orange
- Für die klassische Schwarzweiß Fotografie einen Push Tri-X als wunderbaren körnigen Film mit harten Kontrast.
- Einen Classic negativ als schönen Retro Film
-
Meine Neuentdeckung Creamy Color als schönen Film für schlechtes Wetter, besonders im Herbst sehr cool
und ganz neu... - Einen Kodak Gold
Bei meinen Bildern habe ich die Filmsimulation drunter geschrieben. Einige sind kaum zu erkennen, andere stechen heraus. Das tolle ist, die Simulationen reagieren auf Über- oder Unterbelichtung immer etwas anders.
Ich habe mir die Rezepte zusammengesucht. Von Thomas B. Jones Buch 22 jpeg-Rezepte für Fujifilm X Kameras
Ich habe meine Art und Weise zu fotografieren vollkommen geändert.
Na gut, vielleicht liegt es ja daran, dass ich faul bin und keine wirklich tollen Bilder machen möchte, bei denen ich stundenlang nachbearbeite und diese in unzähligen Nachbearbeitungssessions
bis ins kleinste zu optimieren.
Meine Bilder haben grundsätzlich einen eigenen Stil, eher nicht perfekt, eher etwas „ausgefranst“, mit Macken und Kanten, zu flau, zu überbelichtet, zu unterbelichtet, mit
falschenFarben…
Einfach nicht perfekt...
und genau so mag ich sie.
Sie entstehen im Moment, sollen sie meine Stimmung darstellen. Sie sollen und wollen aber nicht anderen gefallen, sondern sie wollen und sollen mir im gefallen.
Genau dafür sind die Filmsimulationen perfekt. Sie sind meine persönliche Handschrift und sie kommen und entstehen direkt beim Fotografieren. Dafür ist der eingebaute Hybridsucher ideal. Während
des Fotografierens sieht man schon die Anmutung des fertigen Bildes.
Das ist bestimmt nicht für jeden was. Und man muss sich darauf einlassen. Aber vielleicht ist das auch das Geheimnis dieser Kamera. Die Einschränkung, und die Unmöglichkeit all seine
fotografischen Ideen sofort umsetzen zu können.
Beim Fotografieren mit diesen Einschränkungen passiert bei mir etwas, ich finde plötzlich andere Lösungen und diese führen zu neuen unerwarteten Ergebnissen.
Die Einschränkung beim Fotografieren ändert aber alles in Punkto Sicherheit. Ich habe kein RAW, das noch alles Bildinformationen hat, keine zweite Chance, indem ich das fertige Bild nochmal
ändere und einen anderen Look verpasse, ich kann das RAW nicht nochmal durch Lightroom jagen kann und dabei noch alles retten.
OK, ein bisserl was geht immer noch, aber wenn ich das Bild versaut habe, dann ist es versaut und kann nicht gerettet werden.
Dafür habe ich eine Freiheit gewonnen, ein Leben ohne Nachbearbeitung.
Und das feiere ich!
Ich verabschiede mich von den unzähligen Möglichkeiten, die ich in der Fotosituation hätte.
Ich entscheide mich für die Art des Bildes, fotografiere und strenge mich währenddessen a bisserl an. Danach sortiere ich in der Kamera aus, ziehe die fertigen Bilder auf das Handy und
fertig.
Mein Gott ist das geil!
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Oli (Dienstag, 26 Oktober 2021 21:58)
Meine Worte.
Kein Stress mehr.
Einfach fotografieren.
Und genießen.
Nur meine Frau mault, dass die Sommerbilder 2021 aus Italien aussehen wie 40 Jahre alte schlecht gelagerte Dias. So what…?
:-D
Lg, oli
Jürgen (Donnerstag, 28 Oktober 2021 10:32)
Hi Oli,
genau so...
und manchmal höre ich auch Beschwerden über die schlechte technische Qualität meiner Bilder.
Aber ich glaube das muss so :-)
Dirk Trampedach (Samstag, 13 November 2021 19:54)
Hallo Jürgen,
mit viel zustimmendem Genuss habe ich deinen Beitrag hier verschlungen, denn er sagt genau das, was ich seit...immer schon...praktiziere. Einfach fotografieren!! In RAW habe ich noch nicht ein einziges Foto gemacht, und vermisse nichts! Die Simulationen der FUJI sind richtig, richtig gut, aber was ich mindestens so schätze, ist die Gestaltbarkeit und Programmierbarkeit eigener Kreationen. Zumindest bei meiner X-T2 ist das so, aber ich denke, auch deine Kamera hat da Speicherraum für. Empfehlen (falls unbekannt...) möchte ich das Buch " 22JPEG-Rezepte für Fujifilm X-Kameras", Bildner-Verlag, von Thomas B. Jones. Für unsereins ein absolutes Muss ;-))
Und was du hier sonst hier noch so publizierst, gefällt mir sehr.
Herzliche Grüße, Dirk
Jürgen (Samstag, 13 November 2021 20:28)
Hallo Dirk,
vielen Dank für die netten Worte. Bei meinen Rezepten sind die individuellen Anpassungen auch schon eingearbeitet. Und ich stimme dir zu, dass Rezepte-Buch von Thomas B. Jones ist sehr gut.
Pic (Montag, 05 September 2022 22:31)
Hallo und danke für Deinen Bericht. Ich möchte zwei Sachen anmerken:
1. Die Filmsimulationen sind schon Filter in Form von Presets, wie dies auch bei anderen Herstellern für die JPEG-Erstellung gehandhabt wird. Allerdings lässt Fuji einem extrem viele Parameter zum Spielen offen und hat bezüglich verändertem Verhalten bei verschiedenen Belichtungsvarianten einen fuxxxing genialen Algorithmus implementiert.
2. Wenn Du parallel JPEG und RAW schießt, hast Du alle Vorteile der unkomplizierten JPEG-Fotografie und kannst bei späterem Nichtgefallen trotzdem die dazugehörige RAW-File IN der Kamera (und das ist das wirkliche Abrakadabra) nochmal nach Gusto entwickeln. z.b. mit einem Deiner Q-Menu-Presets. Es kommt zwar selten vor, aber, wenn ich Mal eine BW-Session einlege, kommt es doch schon vor, dass ich beim checken der Session mal noch Farbe Draufknaller.
Insofern: Best of both worlds. Und das alles nicht nur ausschließlich traditionell SOOC, sondern mit LR im Gehäuse einer Rangefinder. Genialer Clou von Fuji. Chapeau!
Jens (Dienstag, 14 Februar 2023 20:34)
Hallo, sehr guter Beitrag. Für mich sind Filmsimulationen mehr Zeit zum fotografieren.
Ich bin kein Freund von langer Zeit an PC. Buch von Thomas B. Jones ist super, habe viel gelernt, jetzt erstelle ich meine eigene Filmsimulationen. Grüße Jens.