Räder, Regen und Rumheulen - Augsburg - Bardolino mit dem Fahrrad

Neues Jahr - Lichtmalerei für das Jahr 2025

 

 

Der Plan war sehr groß: Nach Innsbruck, über den Brenner nach Bozen durch das Pustertal, nach Cortina d’Ampezzo, dann runter nach Belluno und von dort weiter Richtung Osten zum Gardasee nach Bardolino.
Einmal Postkartenmotiv - die Drei Zinnen - und dazu Latte Macchiato. Das wär’s gewesen! Der Plan stand. Die Vorfreude war riesig.

  

 

Mittwoch, 16. April

 

Es war angerichtet.

Christian holte mich ab – pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk stand er um 7:03 Uhr da, und wer war noch nicht fertig?

Der Adler (also ich)... Nun gut, es war ja auch 07:00 Uhr ausgemacht, da sind schon mal 30 akademische Minuten drin...


Aber irgendwie kam ich dann doch noch aus dem Quark, und um halb acht starteten wir offiziell ins Abenteuer.

Es war arschkalt. Kein Wölkchen am Himmel, aber gefühlt war es eher März als April.

 

Allmählich wurde es wärmer, und nach einem kurzen Zwischenstopp bei einer dieser wunderbar duftenden Bäckereien fuhren wir direkt auf den  Ammersee zu – in der Hoffnung auf ein schönes Café mit Seeblick und Milchschaum. In Dießen, an der wunderschönen Parkanlage, hofften wir auf diesen Kaffee und einen schönen Blick auf den See.

Fehlanzeige... mit dem Kaffee.

Es gab kein geöffnetes Café...

Wir suchten, und wir fanden nix.

Aber der Blick war trotzdem schön. 

 

  

Gegen 11:44 Uhr landeten wir dann in Weilheim in der Altstadt.  Cappuccino, leckerer Toast, ein bisschen Sonne im Gesicht – und das erste Mal dieses kleine Gefühl von: „Hey, wir fahren echt nach Italien!“
Als wir es unseren Tischnachbarn erzählten, wurden wir tatsächlich bejubelt. Kein Scherz. Die fanden das richtig cool. Wir waren kurz die Helden der Altstadt – na gut, vielleicht eher die kuriosesten.

 

Frisch gestärkt ging’s weiter nach Murnau.

Ziel: McDonald’s. Zum Vollfressen.

Klingt unromantisch, war aber lebensrettend. Der McDonald’s in Murnau war gut besucht, das Essen – heiß und fettig, genau richtig.

Die Anfahrt dorthin? Eher lebensgefährlich. Murnau war ein einziges Verkehrschaos, jede Kreuzung ein Kapitel für sich..

 

 

Dann weiter Richtung Garmisch – eine landschaftlich wunderschöne Strecke mit einem ganz persönlichen Feind:

Gegenwind.

Nicht irgendeiner, sondern so einer, der dir fast den Kopf vom Hals pusten will.

Mir war einfach nicht nach Lächeln zumute.

Bis Garmisch quälten wir uns.

In Garmisch ging’s dann richtig los.

 

Christian – seines Zeichens Streckenplaner und Sadist – hatte sich gedacht: „Setzen wir doch gleich mal ein Ausrufezeichen! Wir fahren nicht die leichte, entspannte Route, sondern die Sportlerroute. Gleich ein dunkelroter Anstieg am ersten Tag!“
Und so fuhren wir frohgemut die steile Strecke.

Sehr steil.

Die Stimmung: Naja... 

  

 

Irgendwann fanden wir wieder auf die schönere Route und landeten schließlich in Mittenwald.

Ah, Mittenwald – der Moment, in dem wir eigentlich mit einem „Oh, wie schön, eine Pause“ in einem gemütlichen Café landen wollten. Wir hatten so viele Themen zum Jammern, so viele Dinge, die uns an unserem Leben zweifeln ließen (Kaffee, Steigungen, den Sinn des Lebens – alles!).

 

Aber dann – schwupps – waren wir schon durch! 

Durch Mittenwald.

Einfach so.

Zack, zack.

Und plötzlich standen wir am Fuß des Anstiegs nach Leutasch.

Der Anstieg! Ja, der war ordentlich. Man kann ihn nicht schönreden.

 

Und was dann kam … was dann kam, war nicht nur ein popeliger Anstieg. Als ob uns der Berg nicht schon genug gequält hätte, kam der wahre Horror: der Gegenwind.

 

Stellt euch vor: Der Wind – dieser Wind – war nicht einfach ein bisschen unangenehm. Nein, er fühlte sich an wie ein Orkan. Ein wütender, zorniger Orkan, der einem die Luft aus der Seele saugte.

Kein bisschen Drama.

Nichts mehr übrig von „Oh, wir fahren durch die Berge, es ist so romantisch“. Stattdessen: „Wohin zum Teufel verschwinden meine letzten Energiereserven?“

 

Wir krochen – und ich meine wirklich kriechen – mit letzter Kraft über den letzten Pass.

Jeder Atemzug war ein kleines Kampfkunststück, jeder Pedaltritt ein heroisches Unterfangen.

Und dann die Erlösung!

 

Zehn Kilometer Abfahrt!

Zehn Kilometer, die uns als die glücklichsten Kilometer aller Zeiten vorkamen. Es war dunkel. Es war spät. Und irgendwie landeten wir schließlich in Telfs.

 

Der Ort? Unwichtig.

Die Frage, wie wir überhaupt dort angekommen sind? Auch egal.

Was zählte, war, dass der Berg und der Wind uns jetzt in Ruhe ließen.

Und da wir alles hinter uns gelassen hatten – sogar ein Stück unserer Würde – konnten wir uns einfach fallenlassen. Die größte Herausforderung des Tages war vorbei.

 

Und weil wir einfach genug hatten – genug von den steilen Anstiegen und dem Wind – suchten wir verzweifelt nach einer Unterkunft, die uns sowohl ein Dach über dem Kopf als auch etwas zu Essen bieten sollte.

Aber – Überraschung! – wir fanden nix.

Nichts, nada, niente.

Eine einzige große Hoffnungslosigkeit. Schließlich stoppten wir bei einem Restaurant mit angeschlossenem Hotel und fragten freundlich, ob sie ein Zimmer hätten.

Die Antwort? Kein Zimmer! Und – als wäre das noch nicht genug – auch kein Essen! Nada!

 

Aber wir gaben nicht auf. Handy raus, und nach kurzer Suche fanden wir endlich ein Hotel – zehn Kilometer entfernt. Und sie hatten sowohl ein Zimmer als auch ein Restaurant.

 

Halleluja – das war unsere Rettung!

 

Wir sagten zu – aber dann kam der nächste Schlag. Das Restaurant würde in 10 Minuten schließen.

Ich sag's nochmal: 10 Minuten!

Unsere letzten Kräfte waren so sehr aufgebraucht, dass wir dachten, wir würden in dieser Zeit nicht mal mehr aus dem Stuhl aufstehen können.

Also – Plan B! Wir  bestellten telefonisch schon mal ein Schnitzel mit Pommes. Und sagten: „Wir beeilen uns, wir kommen schnell!“

Ja, schnell – wie zwei Duracell-Häschen fuhren wir, durch den Regen,  dem Essen entgegen …

 

Die letzten zehn Kilometer fuhren wir wie zwei Henker durch die Nacht, über Landstraßen, und es begann zu Regnen. Der Regen peitschte uns ins Gesicht, aber was solls?

Wir hatten ja keine Wahl. Wir fuhren und fuhren, völlig verzweifelt, aber auch mit einer letzten Spur Hoffnung, dass irgendwo da vorne das Licht unserer Herberge leuchten sollte.

 

Und dann, endlich, in Zirl, fanden wir unser Hotel – das Hotel Tyrolis. Wir fielen wie zwei erschöpfte Meeresschildkröten ins Hotel. Verschwitzt, stinkend, völlig am Ende. Aber – und jetzt kommt das Beste – wir saßen endlich an einem Tisch und verschlangen unser Schnitzel, als wäre es das letzte Abendmahl. 

 

Die Dusche war heiß. Die Betten weich. Und als wir uns dort endlich hinlegten, war der einzige Gedanke in unseren Köpfen:

„Morgen. Morgen wird schlimm. Aber heute? Heute sind wir am Ziel.“

 

So hatten wir Angst vor dem nächsten Tag - und schliefen ein.

 

     

Donnerstag, 17. April – Der Berg ruft!

 

Der Morgen in Zirl begann eher unspektakulär.

Wir waren schon nicht unbedingt motiviert, aber nach einer Tasse Kaffee ging es dann doch los. Der erste kleine Fotostopp nach nur 500 Metern verzögerte den Start, aber dann fuhren wir endlich auf den Inntalradweg.  Der Weg führte uns erst einmal entspannt dahin – bis wir in Innsbruck eintrafen.

Und dann kam der Verkehr. Und mit ihm das Chaos. Drängelnde Autos, hupende Menschen, kreuz und quer laufende Fußgänger. Wir kämpften uns durch das Getümmel und irgendwann – endlich! – fanden wir den Einstieg in unsere eigentliche Route.

Und dort wartete schon der erste echte Gegner: die Steigung. Und was für eine!

 

Der Garmin zeigte sehr dunkle Flächen – und nein, nicht weil der Akku leer war. Die Farbskala ging von grün (alles easy), über gelb (na ja), orange (geht noch), rot (aua), bis hin zu einem dunklen Violett-Schwarz, das eigentlich sagen wollte: Was zur Hölle tut ihr da?!

Und genau so fühlte es sich an.

 

Wir kämpften uns acht Kilometer lang nach oben ! Autos drängelten von hinten, wir traten tapfer weiter, fluchten leise vor uns hin und ließen irgendwann die befahrene Straße hinter uns, um auf einem Wirtschaftsweg weiter zu fahren. Endlich war der Verkehr weg.

Dafür war dann wieder mein alter Freund da: der Wind.

Ganz charmant  on vorn, versteht sich. Und dann auch wieder weiter nach oben.

Wenn es nicht nach oben ging, fuhren wir wieder ab um gleich wieder eine neue Rampe vor uns zu haben.

Wir rollten, wir kletterten, wir schnauften. Und irgendwann landeten wir in Matrei. Dort stellten wir fest, dass wir völlig vergessen hatten, etwas zu essen. Also gab’s erst mal Spaghetti Aglio e Olio – ehrlich, selten haben Nudeln so gutgetan! Draußen regnete es sich ein – kein zartes Nieseln, sondern richtig schön Dauer-Nass. Ziemlich blöd.

 

Wir saßen dann im Café und überlegten: weiter nach Sterzing oder bleiben?
Spontan kam die rettende Idee: Warum nicht einfach hierbleiben?

 

300 Meter später standen wir vorm Gasthaus Krone – Zimmer gebucht. 

Nach einem guten Abendessen und einem netten Plausch mit einem gleichgesinnten Radfahrer – ein schmaler junger Typ, der vom Gardasee nach München unterwegs war, nachdem er vorher mit seinem Kumpel runtergeradelt war – ließen wir den Tag ausklingen.

Jetzt lag ich im Bett, körperlich völlig durch, und bekam eine tröstende Nachricht von den Damen(und von Markus). Irgendwie fühlt es sich an, als hätten wir den schlimmsten Teil bereits geschafft – auch wenn wir das vermutlich morgen anders sehen würden.

 

Und dann kam der Blick auf den Wetterbericht …

Eigentlich sollte es ja übers Pustertal und die Dolomiten gehen – große Panoramen, epische Bergstraßen, Postkartenmotive.
Aber dann sahen wir die Wettervorhersage: unter zehn Grad und jede Menge Regen.
BÄÄHHH!!!

  

 

Also machte ich den Vorschlag: "Nun doch nicht über das Pustertal, sonern einfach gerade runter - den Etschtalradweg  entlang– ist auch schön. Und unsere offizielle Ausrede: Wir hätten die Dolomiten eh nicht gesehen bei dem Wetter. Also verschieben wir sie einfach aufs nächste Mal."

 

Freitag, 18. April - jetzt aber!

 

Leicht gedemoralisiert und noch halb vollgefressen vom Vorabend, starteten wir mit einem langen und ausgiebigen  Frühstück in den Tag. Der Blick aus dem Fenster versprach nichts Gutes.

Tristesse in Grautönen: Regen, nasse Straßen, keine Spur von Motivation.

Also ließen wir es langsam angehen. Aber wir starteten in den Regen hinein.

Irgendwann wurde es trocken – oder sagen wir: weniger nass – und wir fuhren weiter. Hoch ging's, wie sollte es auch anders sein. Die Straßen glitschig, aber immerhin ohne Regen. Schließlich landeten wir auf der Brenner-Bundesstraße. Klingt nach furchtbar viel Verkehr, war aber erstaunlich okay – bis zum finalen Anstieg. 

 

 

Dieser Anstieg brannte dann richtig. Unser Garmin zeigte wieder mal Dunkelrot bis Schwarz. Wir kurbelten uns nach oben, keuchend, schnaufend, fluchend – unter uns das Tal, über uns die Autobahn, neben uns der letzte Rest Motivation.

 

Oben auf dem Brenner dann die erste Begegnung des Tages: ein junger Kerl mit einem alten Peugeot-Rennrad.

Er kam uns schon im Anstieg näher – mit einem Seelenfrieden im Gesicht, den wir irgendwo unterwegs verloren hatten. Das Rad hatte keine moderne Übersetzung, sondern hinten ein wirklich kleines Blatt.

"Ja, war schon steil", meinte er lakonisch. Er war mit dem Zug nach Innsbruck gefahren, den Berg, den wir tags zuvor verflucht hatten, einfach mal hochgetreten – und war jetzt auf dem Weg zum Gardasee, das allererste Mal.

Fitter als wir? Auf jeden Fall. 

 

Dann trafen wir noch zwei Radler: Der eine kam aus Braunschweig, fuhr über Nürnberg, München, den Chiemsee nach Innsbruck – und weiter. Und unterwegs hatte er noch jemanden aufgesammelt: einen Typen mit einem ganz normalen Herrenrad, ISO-Matte hinten drauf, Schlafsack, zwei Taschen – und dem Ziel: Istanbul. Gestartet war er in Stuttgart und hatte bis September Zeit. Kein E-Bike, keine Gangschaltung Deluxe. Einfach losgefahren. Beeindruckend.

 

Legt euch nicht mit diesen beiden an - Stormtrooper mit Teddy

 

 Wir verabschiedeten uns und rollten weiter. Noch schnell eine Brenner-Wurst

einen Cappuccino

ein Croissant 

und ein Kuchenstück – und dann ab aufs Rad.

 

Die Susi? Die Luzzi?

Egal.

Auf jeden Fall: ab ging die Post.

Wir rauschten talwärts, durch Sterzing (merkten's erst gar nicht), wollten eigentlich in Sterzing einen Stopp einlegen – waren aber längst durch. Also weiter nach Brixen.

Dort war der nächste Halt fällig. Wir trafen noch einen Radler aus Estland, unterwegs von München nach Venedig. Und während es wieder zu regnen begann, waren wir – entgegen aller Erwartungen – hochmotiviert.

 

 

Wir schossen Richtung Bozen, im Wahnsinnstempo. Von dort wollten wir bis Auer kommen, aber mein Kreislauf machte erstmal schlapp.

Aber hey – nur noch 25 km!

 

Die letzten 15 km lutschte ich an Christians Hinterrad und ließ mich wortkarg im Windschatten mitschleppen.

Bis auch er japsend rechts ran musste – Schulter kaputt.

Meine auch.

Wir waren zwei  körperliches Wracks.

Am liebsten wären wir in Embryonalstellung in den Straßengraben gerollt.

Aber: keine Option.

 

Wir machten erstmal Pause und beschimpften den Wind.

Und nach einem letzten Anstieg (gelb!) mithilfe der letzten Kräfte, erreichten wir unser Tagesziel. Wir waren endlich da: im Hotel "Zur Mühle" in Auer. Die Räder sicher im Keller.

Wir - ohne Dusche, stinkend und verdreckt - im Restaurant, Chinesisch bestellt.

 

Es schmeckte echt lecker.

 

Samstag, 19. April - letzter Tag.
Der Wetterbericht versprach uns einen wolkigen bis leicht sonnigen Tag – trocken.

Das sollte endlich Italien werden – auch mit Italienwetter!

 

Wir standen auf, warfen einen Blick gen Himmel – und der war, wie soll ich sagen:

Vorhanden.

Ziemlich viele Wolken, von Sonne keine Spur...

 

Frühstück war okay, ich schnappte mir noch schnell eine Käse-Semmel für unterwegs. Man weiß ja nie.

Dann ging’s los...

 

Wir erinnern uns an den Wetterbericht: "bewölkt, trocken, mit etwas Sonne."
 

Abendstimmung


Keine fünf Kilometer gefahren, da fing’s an zu regnen. Erst zaghaft, dann konsequent.

Ich machte mir Hoffnungen, denn der Wetterbericht hatte ja vorhergesagt: "Bewölkt, trocken, mit etwas Sonne."

Aber das Wetter sprach eine andere Sprache:

Kein bisschen "Schauer und dann fertig...",  

kein „es hört gleich wieder auf“.

 

Nein.

Das war Land-Regen.

Ein durchdringender, kompromissloser, grauer Vorhang von oben, der sich wie ein schlechtes Drehbuch über den Tag legte.

Der Himmel war nicht zu sehen - nirgends. Grau in Grau. Regen. Meine Stimmung war am Boden. Und mir wurde allmählich kalt.


Wieder kam mir dieser Gedanke:

Leg dich hin! Lass es! Fall einfach mit deinem Rad um, bleib liegen und tu so, als wärst du nicht da.

Hab’s nur deshalb nicht getan, weil alles nass war.

Also fuhren wir einfach weiter. Was soll man machen?

Irgendwann landeten wir in einem Café, das eigentlich ganz gut war – mal abgesehen von der Geräuschkulisse (ziemlich viele Italiener, ziemlich viele Dezibel) und unserem Platz, der irgendwie am Arsch der Kaffeewelt lag.

Aber: Die Pasta war super. Und das ist am Ende, was zählt.

 

Und nach dem Essen kam sie.

Tatsächlich:

Die Sonne!

Alles wirkte plötzlich leichter, wärmer, schöner.

Wir waren endlich in Bella Italia angekommen!

 

 

 

Eine wunderschöne Eisdiele winkte mir in Rovereto zu – und ich zwang Christian zum Stoppen. Ich schlang mehrere Kugeln Eis in mich hinein, dazu noch einen Café.

 

Was für ein wundervoller Moment. Der Regen war vergessen!

Und die Sonne ließ all unsere Schmerzen und Qualen verblassen.

 

Eis und Kaffee – was braucht der Mensch mehr?

Endlich war alles Gut. Dolce Vita wartete auf uns. 

 

Wir fuhren weiter – es waren gerade mal 45 Minuten seit dem letzten Regen vergangen.

  

 

Da zog es sich wieder zu – und dann kam er zurück, unser alter Freund:

Der  Regen und der Wind.

 

Aber nicht irgendein Wind.

Nein!

Kackwind.

Scheißwind.

Fucking italienischer Ora!

Stetig von Süden blasend, mit Böen.

 

Der Brunnenbach - mit der Pentax 17 auf Kodak Ultramax 400

 

Ich schimpfte.

Zuerst leise vor mich hin – und irgendwann hielt ich an.

Dann schimpfte und fluchte ich.

Laut!

Über den Wind, über den Radweg, über Italien bei Regen, über alles...

Und mit Worten, über die wir besser den Mantel des Schweigens breiten sollten.
Solche Ausdrücke sind nicht für empfindliche Ohren gemacht.

 

Aber was blieb uns übrig?

Weiterfahren.

Was sonst?

Irgendwann erreichten wir wieder unser Stamm-Café – das BiciGrill RuotaLibera, direkt am Radweg.

 

Und plötzlich war alles wieder gut. Essen hilft eben doch.
Nur noch 30 Kilometer. Oder waren’s 25? Egal – jetzt war alles machbar.

Nach dem Café wurde alles besser.
Wir haben die Strecke etwas abgekürzt und sind statt auf dem Radweg auf der Straße gefahren – goldrichtige Entscheidung.

Und dann kam die letzte große Abzweigung.
Links. Dann nochmal links. Und nochmal.
Und dann:

Der letzte Berg.
(Okay, es war der vorletzte.)

Aber diesmal waren wir bereit.
Kein Jammern, kein Schieben, kein Selbstmitleid.
Wir sind da einfach hochgefahren. Wie Profis.
Natürlich haben wir geschwitzt – aber das ist ja normal.

Letztes Mal hatten wir an diesem Berg gejammert.
Das Mal davor sogar etwas geschoben.
Diesmal? Flugmodus an – und rauf.

 

Oben angekommen: Umziehen. Ich, wie immer.


Christian natürlich gleich wieder am Schimpfen:
Jetzt verlier ich wieder Zeit!“ Egal.

Ich will mich ja nicht verkühlen …

 

Letzter Abschnitt.

Noch zehn Kilometer.

Ein letzter Anstieg – und dann war’s so weit!

 

 

Der Gardasee.

Ein Bild. Ein Lächeln. Und runter ging’s.

Wir fanden den Campingplatz: Serenella.
Und da waren sie – die Jungs.
Und sie begrüßten uns wie Helden.

Und dann noch der Applaus der Damen …

 

Was soll ich sagen …?

 

  

Vier Tage Radfahren, ein paar Berge, etwas Sonne einiges an Regen und ein Gegenwind, der uns mehr zugesetzt hat als jeder Anstieg.

Wir haben geschwitzt, geflucht, innerlich geweint (okay, vielleicht auch äußerlich), uns durch Regen und Dunkelheit gekämpft –

und zwischendurch ernsthaft überlegt, ob wir nicht einfach ein E-Bike nehmen oder gleich den Zug nach Italien buchen sollten.

 

Aber: Jeder noch so mörderische Anstieg hatte auch sein Gutes – das Gefühl, oben zu sein.

Und dieses Gefühl habe ich immer geteilt – mit meinem Best-Bike-Buddy Christian.

 

Lieber Christian, es war mir eine Ehre, gemeinsam dieses Abenteuer bestanden zu haben.

 

Und ja – nächstes Mal fahren wir wieder.

Ganz sicher.

 




 

 


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Kommentare: 6
  • #1

    Erik (Mittwoch, 07 Mai 2025 17:35)

    Ein wirklich spannender Bericht. So richtig beneidet habe ich euch aber nicht :)

    Wie viele Kilometer seid ihr denn gefahren von Augsburg bis zum Gardasee?

  • #2

    Tommi (Mittwoch, 07 Mai 2025 17:39)

    Unsereiner macht 50 Kilometer Touren in den platten Niederlanden, mit dem E-Bike und Ihr solche Hammertouren. Größten Respekt vor dieser Leistung. Aber trotzdem haben wir Gemeinsamkeiten: Gegenwind und geschlossene Cafés. :-)

  • #3

    Jürgen (Mittwoch, 07 Mai 2025 19:44)

    Trotz der Anstrengung war es eine schöne Tour. Es geht ja darum, während dem Radfahren abzuschalten. Das funktioniert immer, egal ob bergig oder flach. Aber kein geöffnetes Café zu finden ist einer Qual.
    Es waren ca 460 km.
    LG Jürgen

  • #4

    Sari (Donnerstag, 08 Mai 2025 07:25)

    WOW, was für eine Strecke. Wir waren früher jedes Jahr am Gardasee... Lazise und Bardolino... 12 Stunden mit dem Auto. Mit dem Rad, das ist schon krass!! WOW!

  • #5

    Anne (Donnerstag, 08 Mai 2025 07:57)

    Wow, da könnt ihr echt stolz auf euch sein! Und danke für diesen Bericht - ich habe quasi bei jedem Anstieg mit euch mitgefiebert. Wobei ich auch zu meinen Rennrad-Zeiten nie von diesem "Einmal im Leben über die Alpen!"-Virus befallen war... mir haben die Mini-Berge hier definitiv gereicht. :D

  • #6

    Markus (Donnerstag, 08 Mai 2025 12:56)

    Ich hab beim Lesen mitgelitten mit Euch! Aber ich kenn auch das Triumphgefühl, wenn man's geschafft hat - und das lässt einen plötzlich alle Quälerei im Nachhinein als "schon erträglich" betrachten!